Niemandsland

„Niemandsland”
von Sascha Schneider

 

Ist ein internationaler Film aus dem Jahr 1931, der in klugen aber klaren Bildern eindringlich zum Kampf gegen den Krieg agitiert. Der Film bedient sich einer dem Stummfilm entlehnten, mitunter vereinfachenden, aber dadurch auch deutlich verständlichen Bildsprache.
Fünf Menschen werden aus ihrem Leben gerissen, in den Krieg geworfen, den sie nicht wollen, den sie aber führen müssen. Der Zufall bringt diese Menschen in einer Ruine zusammen, die im Niemandsland und somit gleichsam in einem von der Macht der Kriegstreiber befreiten Gebiet steht. Engländer, Franzose, Deutscher, Jude, Farbiger. (Wer denkt da nicht an Brecht: „Schwarzer, Weißer, Brauner, Gelber! Endet ihre Schlächterein! Reden erst die Völker selber, werden sie schnell einig sein”)

Niemandsland

Sie sprechen miteinander, ohne die Sprache des anderen zu kennen. Sie verstehen einander, weil sie Proleten sind, weil sie ganz unabhängig von ihrer nationalen Herkunft, die gleichen Menschen sind, Familie haben, Menschen lieben und in Freiheit und Gerechtigkeit leben wollen. Sie erkennen, dass sie der Fabrikantenneid und die kolonialen Raubzüge der kapitalistischen Mächte zum Mord am anderen drängen. Sie beenden den Wahnsinn und überwinden zum Schluss mit der Waffe in der Hand zusammen den Stacheldraht.
Im Film nur als Instrumentalstück zu hören ist das Lied „Der heimliche Aufmarsch”. Der deutschen Zensurbehörde ging der Aufruf „Arbeiter, Bauern nehmt die Gewehre zur Hand!” deutlich zu weit. Allerdings kannte jeder das Lied, das Erich Weinert 1929 dichtete, Hanns Eisler vertonte und Ernst Busch populär machte.
1933 verboten die Nazis den Film und sorgten dafür, dass die meisten Kopien zerstört wurden.
Ähnlich wie in Kuhle Wampe, wird die Frage gestellt: Wem gehört der Rhein? Wem gehört Paris? – Die Antwort ist klar: die Welt gehört allen. Sie ist kein Privatbesitz der Fabrikanten, von Nationen oder Regierungen. So einfach ist das – so schwer zu machen ist es aber auch. Die Geschichte und die aktuellsten Ereignisse zeigen es uns.
Kampf gegen den Krieg. Ist Krieg nicht Kampf, sind beide Begriffe nicht das Selbe? Soll das Feuer mit Benzin gelöscht werden?
Im Gegensatz zum bürgerlichen Pazifismus bedeutet Frieden schaffen für die Kommunisten zu allererst die Kriegstreiber abzuschaffen – notfalls auch mit Gewalt. Der bürgerliche Pazifismus mahnt „Die Waffen nieder!”, der proletarische Pazifismus ruft: „Zerschlagt die faschistischen Räuberheere!”.
Wie so oft im künstlerisch-politischen Schaffen Ernst Buschs zeigen sich auch bei den am Film Beteiligten die Brüche des 20. Jahrhunderts.
Beispielhaft sei hier der Regisseur des Films, Victor Trivas, erwähnt. Er arbeitete bis zur Mitte der zwanziger Jahre in der Sowjetunion, wurde wegen angeblicher staatsfeindlicher Aktivitäten verhaftet und verließ dann seine Heimat in Richtung Deutschland. Hier drehte er als Regisseur einige Filme und ging dann in die USA, wo er als Drehbuchautor letztlich sein Talent in Gruselfilmen vergeudete.

Im Rückblick mag der Kampf gegen Faschismus, Krieg und Ausbeutung so erfolglos gewesen sein wie der Spartakusaufstand, der das Römische Weltreich zwar erschütterte aber nicht abschaffte. Heute ist die Welt noch angefüllter mit Unrecht und Krieg, gibt es kein Land, das – so wie damals die Sowjetunion – die Hoffnung auf eine bessere Zukunft verkörpert. Hoffnungen die enttäuscht wurden.
Es gibt sicher keinen gesetzmäßigen Verlauf der Geschichte zum Sozialismus. Der Rückfall in die Barbarei (Friedrich Engels) steht heute auf der Agenda. Ich will aber hoffen, dass eines Tages, wenn die Stunde kommt, wo wir – oder andere – die Gespenster verjagen, Schwarze, Weiße, Gelbe zusammen stehen und eine gerechte, solidarische Welt aufbauen. Das mag pathetisch klingen, unmodern oder gar quasireligiös. Hoffnungen sind immer irrational und träumerisch. Wer aber keine Träume, keine Hoffnungen hat, der kann die Welt nicht verändern. Und ich bin mir sicher, dass ich nicht der einzige Träumer bin.
Wieder hat es Ernst Busch geschafft, dass ich meinen Blick hebe und mich mit den Fragen der Zeit an Hand seiner Lieder der Zeit beschäftige. Und die Hoffnung nicht aufgebe.