Zeitgenossen über Ernst Busch

Nach Themen geordnete Sammlung von Aussagen über Ernst Busch

Weimarer Republik – Emigration und Spanischer Bürgerkrieg – Nachkriegszeit – Aurora:
Hanns Eisler, Stephan Hermlin, Sergej Tretjakow, Friedrich Wolf, Manfred Wekwerth, Axel Eggebrecht, Alexander Dymschitz, Alfred Kantorowicz, Ludwig Renn, Egon Erwin Kisch, Klaus Mann, Heinz Priess, Erich Weinert, Berta Waterstradt, Hans Mahle, Friedrich Luft, Victor Klemperer, Karl Laux, Johannes R. Becher , Ernst Schumacher, Karl Kleinschmidt, Anne Dessau, Erwin Geschonneck, Hans Mayer, Gabriele Mucchi, Herbert Jhering, Peter Edel, Karl Kleinschmidt, Gerhart Eisler, Hugo Fetting, Joachim Seyppel, Gisela May, Ulrich Dietzel, Gisela Steineckert, Erich Honecker (!)

Über die Jahre in der Weimarer Republik

Hanns Eisler:
1927/28 lernte ich Ernst Busch an der damaligen Piscatorbühne kennen. Und wir machten auch ein gemeinsames Theaterstück mit Musik „Der Kaufmann von Berlin“. Und dann arbeiteten wir auch zusammen in Versammlungen, Konzerten, Filmen. Im Oratorium „Die Maßnahme“ spielte er eine Hauptrolle. Einmal wohnten wir sogar eine Zeit lang zusammen, noch jung und gar kein Geld habend. (…) Und Busch ist also ein großartiger Kerl. Ich bin wirklich begeistert, er ist ein Mann, der mich einfach begeistert und auch inspiriert. Denn diese Art zu singen, ist für den Komponisten wirklich eine Anregung.
Quelle: DDR-Rundfunksendung vom 22.01.1958
Ich lernte ihn 1928 kennen, als ich die Musik zu einer Piscator-Aufführung „Der Kaufmann von Berlin“ einstudierte. Es gab eine Menge Chöre und Lieder in diesem Stück, und auf jeder Probe fragte ich, wo steckt denn dieser Ernst Busch und wer ist das überhaupt, wieso kommt er nicht zu den Proben? Vierzehn Tage vor der Premiere schrie ich ärgerlich: Und wo ist nun dieser Ernst Busch? Da kam auf die Bühne ein sehr gut aussehender blonder, schmaler Mann und sagte: Da bin ich. So hatte ich meinen ersten Krach mit ihm.
Quelle: „FF dabei“, H. 2/1980

Bernhard Reich
über die Aufführung von Walter Mehrings „Der Kaufmann von Berlin“ im Theater am Nollendorfplatz 1929 in Berlin:
Drei Straßenreiniger bei der Arbeit: das ßießende Band bringt Billionen- und Trillionen-Packen, bringt einen Stahlhelm, einen toten Soldaten, bringt die Abfälle dieser Zeit heraus. (…) Diesen Straßenkehrer spielte damals, neben Speelmanns und Gnass, der junge Ernst Busch. Seine Stimme “ bitter und traurig, schneidend und weich, wehe und schmelzend. Dieser Abgesang “ Inventur der zu Ende gegangenen Kriegs- und Inßationsjahre.
Quelle: Bernhard Reich: Im Wettlauf mit der Zeit. Erinnerungen aus fünf Jahrzehnten deutscher Theatergeschichte. Berlin: Henschelverlag 1970, S. 214-215

Stephan Hermlin:
Saal einer Gastwirtschaft in Berlin, Ende der 20er Jahre. Und dann kamen Eisler und Busch auf die kleine Bühne. Ich hörte zum ersten Mal jene Lieder, die ich mit unzähligen anderen Menschen nie vergessen konnte. „Roter Wedding“, „Arbeiter, Bauern…“. Eisler und Busch wandten sich an das Publikum und fragten nach seinen Wünschen. Von den Tischen her rief man ihnen die Titel der Lieder zu, die man hören wollte.
Quelle: zitiert in: Herbert Jhering, Hugo Fetting: Ernst Busch, Berlin: Henschelverlag 1965

Sergej Tretjakow:
Nachdem der Ansager die Namen Busch und Eisler genannt hatte, setzte prasselnder Beifall ein. Verstummt sind die Zeitungsverkäufer. Die Männer in den Kiosken recken die Hälse. Der Sänger Busch. In Hemdsärmeln, Hände in den Hosentaschen. Herausfordernde Haltung. Dieser Busch hat nichts mit dem Frack und der Hemdbrust des Solisten zu tun.
Quelle: zitiert in: Herbert Jhering, Hugo Fetting: Ernst Busch, Berlin: Henschelverlag 1965

Friedrich Wolf:
5.11.1929: Gestern war ich mit Wangenheim und Ernst Busch in der „Katakombe“ (nach dem Spiel); das ist wirklich der Montmartre-Berlins, wundervoll.
Quelle: Aus einem Brief an Else Wolf, ediert in: Reinhard May: Begrüßung. Friedrich Wolf 2003. Zum 50. Todestag Friedrich Wolfs. Beiträge zu den Friedrich-Wolf-Kulturtagen 2003 in Berlin, Lehnitz und Potsdam, Lehnitz 2004, S. 30

Manfred Wekwerth
über Buschs Mitwirkung in dem Film „Eine von uns“ 1932:
Zum Filmlied „Walzertraum“: Wir hatten die Schallplatte während der Proben zum „Kaukasischen Kreidekreis“ [1954] irgendwo aufgetrieben. Er wusste davon nichts und wir haben ihn damit ein bisschen geärgert. Das konnte man auch. Das dauerte dann meist nicht lange. Und an einer Stelle der Probe ließen wir den Tontechniker das Lied einspielen „Der erste Schritt vom rechten Weg ist oft ein Walzerschritt …“. Und Busch hörte das, wurde zunächst sehr zornig und sagte dann den großen Satz: „Auch ich musste damals Geld verdienen!“
Quelle: DDR-Rundfunksendung vom 22.01.1985

Axel Eggebrecht
über den Nachbarn E.B. in der Künstlerkolonie Laubenheimer Platz in Berlin-Wilmersdorf:
Im Nachbarhaus, Wand an Wand mit mir, studierte Ernst Busch seine Kampfgesänge ein, durch Klopfzeichen signalisierte ich ihm Beifall oder Kritik. Nach dem 30. Januar 1933: In der Künstlerkolonie wohnten nur noch wenige Freunde aus besseren Tagen. Ernst Buschs Stimme hörte ich einmal aus dem Radio Hilversum, er sang Brechts Solidaritätslied auf holländisch, es klang komisch, und doch wars die Stimme der freien Welt.
Quelle: Axel Eggebrecht: Der halbe Weg. Zwischenbilanz einer Epoche, Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Taschenbuch Verlag 1975, S. 269 u. 317

Emigration und Spanischer Bürgerkrieg

Alexander Dymschitz:
Als Ernst Busch in Russland war, konnte ich beobachten, wie viele Zuhörer, die der deutschen Sprache nicht mächtig waren, von seinem Gesang hingerissen, die Melodie aufgriffen, mitsangen und die ihnen unbekannten Worte nachsprachen. Sie fühlten in seinem Vortrag eine ßammende Wahrheit, sie glaubten ihm und an ihn. Das Volk erkannte in ihm einen Volkssänger im besten und höchsten Sinne dieses Wortes.
Quelle: „Tägliche Rundschau“ vom 16.07.1948

Alfred Kantorowicz:
Madrid, Frühjahr 1937: Ich war in diesen Wochen beständig von schlechtem Gewissen gepeinigt; mein Widerwille, nun in Spanien auch nur wiederum Zeitungsarbeit zu machen, vertiefte meine Übellaunigkeit. Nur wenige Stunden entschädigten mich für diese Monate, wenn in der Wohnung “ sie gehörte einem geßüchteten deutschem Nazi – , die wir als Redaktions-, Verlags-, Arbeits- und Wohnraum für uns alle beschlagnahmt hatten, Ernst Busch an einem verstimmten Klavier seine neuen Chansons einstudierte (…). Zeitweilig war unser Freund Bodo Uhse bei uns zu Gast, Ilja Ehrenburg besuchte uns gelegentlich, der Komponist Hanns Eisler kam einmal und nahm Ernst Buschs Platz auf dem Klaviersessel ein.
Quelle: Alfred Kantorowicz: Spanisches Tagebuch, Berlin: Aufbau Verlag 1949, S. 101 – 102

Ludwig Renn:
1937: Während meines kurzen Aufenthaltes in Valencia ging ich ins Konservatorium, in dem Ernst Busch singen und mein besonderer Freund Erich Weinert rezitieren sollte. Im Saale traf ich viele Bekannte, darunter auch den sowjetischen Berater Oberst Loti.
Quelle: Ludwig Renn: Im Spanischen Krieg, Berlin: Aufbau-Verlag 1963, S. 318

Egon Erwin Kisch:
In keinem Tornister fehlten die „Canziones de la Guerra“, das Buch, darin viele Lieder enthalten sind und noch mehr Sprachen. Wie ein Reifen schloß dieses soziale Kanzoniale die Lieder eines Volkes zu Liedern aller Völker zusammen.
Quelle: zitiert in: Herbert Jhering, Hugo Fetting: Ernst Busch, Berlin: Henschelverlag 1965

Klaus Mann:
Abends sitzen wir um den Apparat, im Dunkel; der Olivenhain, in dem wir uns verbergen, darf durch kein Lichtchen feindliches Interesse auf sich lenken. In schwarzer, milder Nacht “ das Zelt ist offen, draußen bewegt sich Laub im sanften Wind “ lauschen wir auf die scharfe, geschulte, metallisch helle Stimme eines deutschen Sängers (er heißt Ernst Busch), der die Lieder der Internationalen Brigade sehr wirkungsvoll, sehr gekonnt zum Vortrag bringt. „Die Heimat ist weit “ doch wir sind bereit““ ruft das metallische Organ, zugleich innig und schneidend. „Wir kämpfen und siegen für dich, Freiheit!“ Das letzte Wort wird zum Triumphgeschrei, beinahe klirrend vor Begeisterung.
Quelle: Klaus Mann: Der Wendepunkt. Ein Lebensbericht, Reinbek bei Hamburg: 1993, S. 536

Heinz Priess
über das Beimler-Lied:
Beimlers Popularität wurde nach seinem nicht unbedingt unvermeidbaren Tod vergrößert, als Ernst Busch das Lied „In Madrid, im Schützengraben, in der Stunde der Gefahr …“ auf Hans Beimler sang, was mich einzig deshalb abstieß, weil dazu die Hymne aller Militaristenvereine seit 1914/18 genommen wurde: “ Ich hattí einen Kameraden, einen bessíren findíst du nicht …“. Diese Übernahme hielt ich für geschmacklos, selbst wenn die Begründung, die Melodie sei populär, logisch und legitim schien.
Quelle: Heinz Priess: Spaniens Himmel und keine Sterne. Ein deutsches Geschichtsbuch. Erinnerungen an ein Leben und ein Jahrhundert, Berlin: edition ost 1996, S. 106

Erich Weinert:
Vom Leben und Wirken meiner deutschen Kameraden hätte ich vieles zu berichten gehabt, (…) von Ernst Busch, der nicht nur mit Liedern und Gedichten auftrat, sondern auch Schallplatten und Liederbücher unter großen technischen Schwierigkeiten herstellte und bei Veranstaltungen oft Dekorationen und Kulissen mit eigener Hand sägte und nagelte.
Quelle: Erich Weinert: Camaradas. Ein Spanienbuch, Berlin: Verlag Volk und Welt 1960, S. 14-15

Christiane Barckhausen
1989 über einen Besuch bei Dolores Ibárruri:
Sie konnte sich an keine Maria erinnern, so wie sie auch nicht mehr wusste, dass ihr Freund Ernst Busch, dessen Spanienplatte ich ihr geschenkt hatte, bereits gestorben ist … Aber was verlangte ich da vom Gedächtnis einer Neunzigjährigen? (…) Dolores Ibárruri fuhr mit der Hand über die Schallplatte und stimmte, zunächst leise und verhalten und bald darauf mit erstaunlich sicherer Stimme eines der Lieder von Ernst Busch an. Dies war keines vom Spanienkrieg, sondern der „Rote Wedding“ in einer spanischen Version. Nur die letzten Worte sang sie auf deutsch: „Rot Front!“
Quelle: Christiane Barckhausen: Tina Modotti. Wahrheit und Legende einer umstrittenen Frau. Biografie, Berlin: Verlag Neues Leben 1989, S. 336
Nachkriegszeit und Tätigkeit im Berliner Ensemble

Berta Waterstradt:
Berlin, 7. Mai 1945: Am 7. Mai richteten wir zuerst das Bezirksamt Wilmersdorf ein. Es halfen viele Menschen dabei, und der schmale Mann mit dem gemeißelten Gesicht, bekleidet mit einer undefinierbaren Jacke und einer zerschlissenen Hose fiel nicht weiter auf, denn mager waren wir damals alle und schlecht angezogen auch.
Quelle: zitiert in: Herbert Jhering, Hugo Fetting: Ernst Busch, Berlin: Henschelverlag 1965

Hans Mahle
erster Intendant des Berliner Rundfunks nach Kriegsende, 1988 über die Zusammenarbeit mit E. B.:
Der Forderung Ernst Buschs, seine Kamplieder zum Grundbestandteil des Musikprogramms zu machen, konnte der Intendant nicht folgen: Das wäre zur damaligen Zeit überhaupt nicht tragbar gewesen “ und ich halte Ernst Buschs damalige Haltung noch immer für überspitzt und sektiererisch im Hinblick auf die Aufgaben beim Aufbau eines demokratischen Senders, der alle Nichtfaschisten zur Mitwirkung heranziehen sollte. (…) Ich war ja kein Künstler, der von seinem Horizont an das Problem herangehen konnte. Ich hatte als Intendant die Aufgabe, einen demokratischen Rundfunk aufzubauen und zu leiten. Ich mußte also den breitesten Humanismus propagieren und alle Menschen mobilisieren, die bereit waren, am Aufbau eines neuen Deutschland mitzuwirken. Darunter auch ehemalige Nazis, klar. Das konnten viele nicht begreifen.
Quelle: Katharina Riege: Einem Traum verplichtet. Hans Mahle “ eine Biographie, Hamburg: VSA-Verlag 2003, S. 208 u. 215

Friedrich Wolf:
Zur Aufführung der „Matrosen von Cattaro“ 1946 im Theater am Schiffbauerdamm: Busch als Regisseur! Für viele war es ein großes Fragezeichen. Nicht für mich, der ich 1930 erlebt hatte, wie sehr Busch regielich und sogar dramaturgisch bei der Inszenierung eines Stückes mitarbeitete. Busch, sonst weder arm an Temperamentsausbrüchen, er, der früher die besten Rollen zurückwies, wenn sie ihm nicht lagen, er war hier der geduldigste, ruhigste und gewissenhafteste Arbeiter, den ich an der Bühne bisher gesehen hatte. Er war die Seele und das Herz des ganzen Spielkörpers.
Quelle: zitiert in: Herbert Jhering, Hugo Fetting: Ernst Busch, Berlin: Henschelverlag 1965
[1947] Mein lieber Hanns Eisler! (…) und in einer halben Stunde muß ich zur neuen Premiere meiner „Matrosen von Cattaro“, die Ernst Busch insceniert hat und wo er zugleich die Hauptrolle des Bootsmannsmaats Franz Rasch spielt; (…) Denkt auch an Erich Weinert und nochmals Ernst Busch, der immer noch unter seiner Moabiter Zeit leidet, aber großartig mit uns wenigen alten Knochen zusammenarbeitet.
12.4.1947. Mein lieber Erwin [Piscator]! (…) „Matrosen“ mit Ernst Busch-Leibelt-Gnass-Venohr ect war die 1. wirklich durchschlagende Leistung. Leider ist Busch zZ schwer an Pneumonie erkrankt, abgesehen von einer Facialislähmung nach Schädelbruch/Gestapokur im Zellengefängnis Lehrter Bhf. 1943-44 und Bombenverschüttung. Quelle: Friedrich Wolf: Briefe. Eine Auswahl, Berlin: Aufbau-Verlag 1969, S. 222 u. 230

Friedrich Luft:
Der konsequenteste deutsche Schauspieler. Ein Darsteller, der im Zeitalter der Politik nie vorgab, der sogenannten „reinen Kunst“ zu dienen, wie unzählige andere, dabei doch unversehens Kotau machten. Für ihn war Kunst immer mit einem Ziel verhaftet. Er spielte in Stücken nur, wenn er selbst mit dem Inhalt konform gehen konnte. Er sang nur, wenn dieser Gesang einen kämpferischen und fortschrittlichen Takt hatte, wenn er einen Aufruf vermittelte, wenn er eine Wendung zur Veränderung der Welt enthielt. Kein polierter Meister des selbstgenießerischen Belcanto. Aber er hat das stimulierende Metall des Clairons in der Stimme. Ein leidenschaftlicher Vorsänger des Revolutionären. Ein Volkssänger und ein politischer Schauspieler. Groß, blond, mit klaren, leiderfahrenen Augen, verhalten und im persönlichen Umgang eher schüchtern und von einer sympathischen Unsicherheit. Einer der weniger Unverwechselbaren und Aufrechten und einer der zu jeder Zeit Kompromisslosen, die der Schauspielerstand in Deutschland sich zugute halten kann.
Quelle: Zeitschrift „Heute“ vom 15.06.1947

Victor Klemperer:
22. September 1947: Hierauf zur Oper, Admiralspalast. (…) Was mich unmittelbar und mächtig ergriff, war das Spanienlied (Die Heimat ist weit “ Freiheit!) von Ernst Busch gesungen (auch seine „Moorsoldaten“). Großartig! Das Publikum raste, ich mit. Er soll wirklicher Arbeiter- und Résistancesänger sein, dazu Rundfunkstar. Ich erinnere mich, einen Zeitungsartikel über ihn gelesen zu haben.
30.5. 1948: Wunderschöne Elektroplattenmusik: Spanienlieder Ernst Buschs „Freiheit“ habe ich selber von ihm in Berlin gehört. Internationale. Etc.
19.8.1956: Gestern 18.8. „Staatsakt“ für Brecht.(…) Dazwischen an die Coulisse gelehnt, in der das Klavier verborgen, Ernst Busch: „Reih dich ein in die Arbeiter-Einheits-Front“. Das war das Schönste.
Quelle: Victor Klemperer: So sitze ich zwischen allen Stühlen. Tagebücher l945-1959 (Hg. Walter Nowojski), Berlin: Aufbau-Verlag 1999, Bd. I, S. 436, 547, Bd. II, S. 577

Karl Laux:
Wer Ernst Busch ist, weiß jeder. Was er ist, ist schon schwerer zu definieren. Die einen sagen, ein Schauspieler, die anderen ein Sänger. Sie haben alle recht. Ernst Busch ist beides, und er ist vor allem eines, und das ist das Wichtigste: ein Kämpfer. Und ein großer Künstler. Er war Sänger und ist es immer wieder, wenn es gilt, die Werktätigen, die Jugend aufzurütteln, wachzusingen zum Kampf gegen die alten Feinde, gegen die Imperialisten und Kapitalisten, und gegen die neuen, die Spalter Deutschlands. Er singt alte Lieder und singt neue, auch solche, die er aus der Sowjetunion mitgebracht hat, als er jüngst dort zur Kur weilte, er hat die alte Kameradschaft mit Bert Brecht und Hanns Eisler erneuert und hat neue Gefährten gefunden auf dem Weg, den er unbeirrt geht, seinem leuchtenden Ziel entgegen.
Quelle: „Tägliche Rundschau“ vom 05.08.1949

Johannes R. Becher
1950 über seine „Neuen deutschen Volkslieder“:
21. Mai: „Deutschland“ “ Komposition und Buschs Stimme haben in diesem Lied meine Verbannungszeit zum Klingen gebracht “ und mehr noch: das ist mein „Deutschland“. Glücksgefühl, Eisler und Busch gefunden zu haben. Sie tragen mein Gedicht auf ihren Schwingen ins Tiefe, ins Ferne …

Für H.E. und E.B.
Ihr habt mein Leben zum Klingen gebracht,
Durch euch ist mein Leben singend erwacht,
Du Leben, du schweres “ ein traumhaftes Schweben.

Ein Ruf in der Nacht, ein Flüstern, ein Schrei,
Und Jahre, Jahre wehen vorbei.
Ein jubelnder Chor nimmt auf mein Leben.

Wohin mündest du, mein Gesang?

Quelle: Johannes R. Becher: Auf andere Art so große Hoffnung. Tagebuch 1950. Eintragungen 1951, Berlin 1969, S. 270-272

Ernst Schumacher 1947 und 1952:
1947: Das dritte Ereignis (…) war mein Besuch einer Aufführung von Friedrich Wolfs „Matrosen von Cattaro“ im Theater am Schiffbauerdamm, das damals noch im Hinterhof zerbombter Gebäude stand. Es war von Ernst Busch in Szene gesetzt, und er spielte selbst, wie schon 1930 bei der Uraufführung in der Volksbühne Berlin, die Hauptrolle des Bootsmanns Franz Rasch, der dem Exekutionskommando, bestehend aus Seinesgleichen, zuruft: „Kameraden, das nächste Mal besser“! Gemeint war die proletarische Revolution. Nach dem Parteitag, auf dem er als Sänger des „Solidaritätsliedes“ von Brecht/Eisler die Delegierten mitgerissen hatte, suchte ich ihn in seiner Firma „Lied der Zeit“ in der Taubenstraße auf, um einige seiner Platten, vor allem die „Canciones des Las Brigadas Internacionales“ zu erwerben. Er, der sonst nur „Schellack gegen Schellack“ tauschte, schenkte sie mir, als er mitbekommen hatte, wo ich herkam, und wünschte uns Mut. Als ich ihn nach dem Verbleib von Brecht fragte, knurrte er mit seinem durch einen Bombensplitter genarbten Gesicht“ „Der soll endlich schauen, dass er heimkommt“.
1952 über die Aufführung der „Mutter“ im Berliner Ensemble: Ernst Busch konnte die Zuschauer nicht anrühren, und der Schlußchor war für mein Empfinden zu lahm, er entsprach nicht den flimmernden Streifen auf der Leinwand, dem Atem unseres Jahrhunderts. Und nochmals trotzdem: Es war eine einmalige Sache, ein Gruß nach vorwärts aus der Vergangenheit. Ich teilte der Berlau in dem Brief auch mit, Ernst Busch nach der Vorstellung hinter der Bühne gesprochen und von ihm versprochen bekommen zu haben, ihr für die Übersendung der Plattenaufnahmen von „Courage“ und „Mutter“ aus seinem Verlag anständiges Verpackungsmaterial zukommen zu lassen.
Quelle: Ernst Schumacher: Mein Brecht. Erinnerungen, Berlin: Henschelverlag 2006, S. 52, 171/72

Erwin Burkert:
Er hat der FDJ 17000 Schallplatten geschenkt “ für Jugendgruppen, Pioniergruppen, Klubs usw., damit die Arbeiterlieder unter die jungen Leute kommen. Und dann hat er aber rausgekriegt, dass die FDJ die Platten für zwei Mark das Stück verkauft hat. Chef: Erich Honecker. Er war sicher, wie man so sagt, ein Dickkopf, er konnte grantig sein, war ehrlich. Das hat manchem nicht gepasst.
Quelle: DDR-Rundfunksendung vom 22.01.1990

Karl Kleinschmidt:
Wir alle waren, lang, lang ists her, in Ahrenshoop zusammen. Und Brecht bekam in unser aller Dabeisein ein Telegramm, das protestierte gegen die Nennung des Namens Ernst Busch in einem Brechtschen Poem und dessen Tilgung darin verlangte. Brecht telegrafierte zurück, solange Goethe nicht seinen Busch streicht aus „Füllest wieder Busch und Tal“, werde auch ich meinen Busch aus meinem Werk nicht streichen.
Quelle. DDR-Rundfunksendung vom 22.01.1965

Anne Dessau:
Eigensinnig sich stets treu, stritt er für die Sache der Arbeiter, auch gegen Beschlüsse der Partei, die deren eigenen Wahlspruch ÇIm Mittelpunkt steht der Menschí Lügen straften. Ernst Busch, lebende Legende, war unantastbar für die Apparatschiks. Zu groß war sein internationales Ansehen, seine Stimme hatte sich ins Bewusstsein der Unterdrückten vieler Länder gesungen. Er gehörte zu der seltenen Spezies, die geliebt wurde von den Menschen. Bitter, bissig, enttäuscht und doch nimmermüde aus tiefer Menschenliebe, hielt er fest an Brechts Worten: Ändere die Welt, sie braucht es.í
Quelle: „Ossietzkyî, H. 23/2003

Erwin Geschonneck:
Mit Schall, seinerzeit ein ganz junger Darsteller [am Berliner Ensemble], erlebte ich eine hübsche Episode: Brecht, Busch und ich standen auf einer Probe zur „Courage“ zusammen. In einer Szene zeigte Schall als Eilif einen hervorragenden Tanz. Bekanntlich war und ist Schall ein außerordentlicher Akrobat und Tänzer. Er beherrscht seinen Körper hervorragend und macht die tollsten Sprünge bewundernswert. Aber manchmal wurde es doch ein bisschen zu toll, was er machte. Wir sahen uns eine Weile an, wie er als Eilif tanzte. Auch Brecht beobachtete das. Und dann sagte Busch: „Brecht, das geht doch nicht, was er da aufführt!“ Darauf erwiderte Brecht lakonisch: „Haben Sie mal einen Schwiegersohn!“
Quelle: Erwin Geschonneck: Meine unruhigen Jahre. (Hg. Günter Agde), Berlin: Aufbau Taschenbuch Verlag 1996, S. 173-174

Hans Mayer,
u.a. über die Trauerfeier für Bertolt Brecht [1956]:
Es war eine absurde Feier. Brecht hätte sie vermutlich genossen. Drei Augenblicke blieben haften, weil es da ehrlich zuging. Als Ernst Busch dem toten Freund die gemeinsamen Lieder nachsang. Das Klavier stand in der Kulisse, der Klavierspieler Hanns Eisler war nicht zu sehen.
Quelle: Hans Mayer: Ein Deutscher auf Widerruf. Erinnerungen, Band 2, Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag 1988, S. 155
Ulbrichts Redeweise verriet ebenso wohl bürokratische Pedanterie wie innere Unsicherheit. Den Singsang der sowjetischen Parteiführer hatte er sich angewöhnt. Er gab ihn weiter an zahllose, gleichfalls unerträgliche Nachredner. Musikalisch war das eine absteigende Terz. Der Sänger und Schauspieler Ernst Busch sprach spöttisch von der „russischen Terz“.
Quelle: Hans Mayer: Der Turm von Babel. Erinnerungen an eine Deutsche Demokratische Republik, Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag 1993, S. 153

Gabriele Mucchi:
Zwischen 1957 und 1959 erhielt ich in Berlin mehrere Aufträge für das Theater. Der erste war ein Plakat für den „Galilei“ von Brecht. Im Theater hatte ich viele Zeichnungen während der Proben gemacht, die wegen Brechts Erkrankung 1956 unter Leitung des Regisseur Erich Engel fortgesetzt wurden. (…) Helene Weigel kam mit dem jungen Regisseur Peter Palitzsch in mein Atelier, um meine Entwürfe anzusehen. Das Plakat wurde dann gedruckt und hing überall in der Stadt. Darauf ist Galilei mit den Zügen des Schauspielers Ernst Busch dargestellt, er scheint aus dem Plakat herauszugehen, ein Teil der Gestalt ist schon außerhalb des Blatts und lässt Raum für ein großes altes Fernrohr; es sieht aus, als ließe er mit gerunzelter Stirn sein Instrument stehen und trete von der Szene der wissenschaftlichen Forschung ab: eine Paraphrase für seinen Widerruf.
Quelle: Gabriele Mucchi: Verpasste Gelegenheiten. Le occasione perdute. Ein Künstlerleben in zwei Welten, Berlin: Dietz Verlag 1997, S. 340

Herbert Jhering:
Das Werk von Ernst Busch wäre nicht vollständig, wenn wir nicht neben seinen Schauspiel-Rollen an den Volkssänger erinnern wollten, dessen Lieder die deutsche Geschichte von 1914 bis 1945 und den spanischen Freiheitskampf zwischen 1936 und 1939 begleitet haben. Sie haben “ man muß es deutlich wiederholen “ mit den Texten von Brecht, Mühsam, Weinert, Walter Mehring, Kurt Tucholsky den Krieg widergespiegelt aus der brennenden Nähe des Tages, aus der Front der Arbeiterkameradschaft. Sie waren Tendenz, sie waren Tat und halten doch allen ästhetischen Gesetzen stand. Sie sind eine Erfüllung. Denn die harte, kernige Stimme Ernst Buschs, verständlich ebenso in der leisen Dämpfung wie in den schwellenden Trompetenstößen des Angriffs, reißt den Hörer in eine bestimmte Willensrichtung. Aber immer war sie künstlerisch geschmiedet.
Quelle: „Sonntag“ vom 06.10.1957

Das Schallplattenprojekt Aurora und Lebensabend

Peter Edel
Heute, da immer mehr junge Arbeiter die Kunst als Waffe gebrauchen lernen, ihnen alle Wege bereitet sind, selbst auf die Bühne zu treten, erscheint uns der Maurersohn Ernst Busch als ein Pionier dieser Bewegung. Er, der ehemalige Werftschlosser, der beim Kieler Aufstand in den Reihen der revolutionären Matrosen marschierte und im kampfreichen Leben auch die Not des Exils und des Kerkers trotzend durchlitt, reifte zu einem der größten proletarischen Menschendarsteller unserer Tage.
Quelle: „BZ am Abend“ vom 22.01.1960

Karl Kleinschmidt
Seit vierzig Jahren klingt seine Stimme über die Erde und bricht der Freiheit eine Gasse, wo immer sie erklingt. Wo immer sie gehört wird, da heben Niedergedrückte ihre Häupter, wie wenn sich ihre Erlösung naht, da ßammt schwelender Haß auf zu loderndem Zorn, da wird vage Sehnsucht zur Entschlossenheit, leuchtende Zukunft, tätige Gegenwart und dunkle Vergangenheit wieder lebendig. (…)
Es gibt eine solche Wohltat kein zweites Mal auf unserer Erde, ob man in Moskau oder New York, in Paris oder London, in Italien oder Deutschland danach fragt. Es ist keine Stimme, die man für Agitation und Propaganda engagieren könnte: Es ist die Stimme eines Arbeiters, die Stimme der Arbeiterbewegung, wo immer sie kämpft, leidet und siegt! Welche Wohltat!
Quelle: „Neue Zeit“ vom 22.01.1960

Gerhart Eisler:
Wo hab ich Dich nicht gehört, wo hab ich Dich nicht gesehen. Ob in Spanien, in Berlin, wir saßen in verschiedenen Konzentrationslagern. Wann immer ich Zeit hatte und hörte, Ernst Busch singt, dann war ich dort. Ich darf mich ohne Übertreibung einen Freund nennen. Ich darf sagen, viele Menschen hab ich in einem langen Leben gekannt, aber dieser Ernst Busch, der ist mir ans Herz gewachsen, wie er Millionen anderer Menschen der ganzen Welt ans Herz gewachsen ist. Wenn er singt, dann fühle ich mich jung wie vor 40, 50 Jahren und möchte am liebsten gleich eine Barrikade stürmen. Wenn er spielt, dann ist man tief bewegt. Und wie oft saßen Ernst Busch, sein guter alter Freund Hanns Eisler und auch Brecht und ich zusammen und das war immer ein gutes, schöpferisches Beisammensein.
Quelle: DDR-Rundfunksendung vom 22.01.1965

Hugo Fetting:
Das politische Lied ist Busch zur Aufgabe des Lebens geworden. Alles, was er singt, hat er geprüft, jede Note und jedes Wort. Und wenn er singt, so hört dieses Prüfen nicht auf. Wie er einst als Werkzeugschlosser der Kieler Germania-Werft am Schraubstock feilte, so feilt er heute vor dem Mikrofon an seinen Liedern. Auch wenn andere diese Texte und Kompositionen geschrieben haben, so kann man dennoch von „seinen“ Liedern sprechen. Wie oft kommt es vor, dass viele, die sie hören, weder den Autor noch den Komponisten kennen, aber genau wissen, dass es ein „Busch-Lied“ ist. Hinter jedem dieser Lieder steht er als Mensch und als Künstler, mit seiner Überzeugung und seinem Wollen. Als Künstler blieb er immer Kämpfer und als Kämpfer immer Künstler. Leben und Kunst gehen bei ihm immer konzessionslos zusammen. Er weiß, dass, wenn man andere überzeugen will, man zuallererst selbst überzeugt sein muß, und dass die Menschen alles Unehrliche, Plakative und Phrasenhafte leicht durchschauen.
Quelle: „Berliner Zeitung“, 01.05.1966

Joachim Seyppel:
Ob sie schon mit Ernst Busch gesprochen habe. Ja, neulich im Theater, Wieland Herzfelde habe ihn ihr vorgestellt. Busch kannte Heinrich Mann nicht persönlich. Und erinnerte sich nur, Heinrich Mann habe ihm einmal einen Empfehlungstext für eine Schallplatte geschrieben oder ähnliches. Gespenstisch, wenn einem plötzlich eine Stimme gegenübersteht, ein Gesicht, ein Halbgott! Ernst Busch ist viel kleiner, als ich ihn mir vorgestellt habe, er reichte mir grade bis zur Nase. Sah gut aus, jünger, als ich dachte, etwas glatt im Gesicht und unverbindlich, und die Haut war so frisch und rötlich … Ob das seine Frau war, die neben ihm stand? Einen Brief hätte er von Heinrich Mann, wenn ich richtig verstanden habe, ich war so aufgeregt und so verlegen und hab nur halb hingehört… Auch er schien unsicher und überrascht, ich hab ihn wohl mit meiner Frage überfallen und überrascht….
Quelle: Joachim Seyppel: Abschied von Europa. Die Geschichte von Heinrich und Nelly Mann, dargestellt durch Peter Aschenback und Georgiewa Mühlenhaupt, Berlin: Aufbau-Verlag 1975, 3. Außage 1979, S. 116

Gisela May:
Wenn man ihn besuchte, er lud sich auch gerne Gäste ein, dann war wieder ein Widerspruch in seiner Person, dass er zwei Hündchen hatte, eigentlich zwei Modehündchen, mit denen nur feine Damen ausgehen, und zu diesem Kraftmenschen Ernst Busch mit dieser wunderbaren riesigen Stimme, passten diese Hunde überhaupt nicht. Und die lagen dann immer auf sämtlichen Stühlen, die musste man dann erstmal wegräumen. Das war ein Widerspruch, und das nächste, was man ertragen musste, war, dass es eigentlich zu keiner großen Gesprächsrunde kam, sondern dass er sofort Bänder von sich außegte und uns herausforderte, die wir zu Gast waren: Wie findest du das? Und wenn man dann Einschränkungen hatte, war es sehr schwer, das Gespräch fortzusetzen. Dann herrschte eisiges Schweigen …
Quelle: Triangel, MDR-Programmzeitschrift, H. 1/2000, S. 65-66

Ulrich Dietzel:
21.11.1987: Die Internationale Plenartagung [der Akademie der Künste der DDR]ist beendet. (…) Noch gut kann ich mich erinnern an die letzte Veranstaltung mit Ernst Busch [1975]. Er war sichtlich gealtert und sang mit nicht mehr ganz fester Stimme. Aber alle, die da waren, spürten die Kraft und die Zuversicht, die seine Lieder unverwechselbar machten. Viele waren den Tränen nahe.
Quelle: Ulricht Dietzel: Männer und Masken. Kunst und Politik in Ostdeutschland, Leipzig: Faber & Faber 2003, S. 203

Gisela Steineckert:
Ernst Busch gab in der Akademie der Künste seinen Abschiedsabend [1975]. Und wir gingen alle hin und erwiesen ihm unsere Referenz. Und als wir die Akademie verließen, stand Wolf Biermann auf der Straße und sammelte Freunde ein, lud sie alle zu sich ein. Wir kamen dorthin, es war ein großer Personenkreis anwesend. Und er hielt folgende Rede: „Nachdem dieser senile Tattergreis euch beinahe den ganzen Abend verdorben hat mit seinem Gesabber, werde ich den Rest retten und euch mal zeigen, was Kunst ist.“ Nahm seine Gitarre und hörte nicht wieder auf zu singen, bis alle ohnmächtig umfielen. Dies fanden wir beide damals sehr unanständig, und die Maßlosigkeit, die Überheblichkeit, die darin lag, einem Mann wie Ernst Busch gegenüber!
Quelle: Roland Berbig, Arne Born u.a. (Hg.): In Sachen Biermann. Protokolle, Bericht, Briefe zu den Folgen einer Ausbürgerung, Berlin: Ch. Links Verlag 1994, S. 107

Erich Honecker:
Wenn ich mich auf den Schriftstellerkongressen, den zentralen Kunstausstellungen in Dresden oder in der Akademie der Künste umgeschaut habe, dann war ich stolz auf die vielen Kampfgefährten, die wir unter den Künstlern gefunden haben und deren Werke unser Land auch weit außerhalb seiner Grenzen repräsentieren. Da konnte ich Ernst Busch, dem Sänger der revolutionären Arbeiterbewegung, die Hand schütteln. (…) Freude empfand ich, als Paul Dessau mir im August 1972 die Notenhandschrift seiner Komposition zu Bertolt Brechts „Bitten der Kinder“ aus dem „Herrenburger [!] Bericht“ übergab. Beide hatten dieses Lied der Freien Deutschen Jugend anlässlich der III. Weltfestspiele der Jugend und Studenten im August 1951 in Berlin gewidmet.
Quelle: Erich Honecker: Aus meinem Leben, Berlin: Dietz Verlag 1981, S. 345

Aljoscha Westermann:
Mir gings sicher wie vielen in meiner Generation der Dreißigjährigen, die Ernst Busch über die Schule kennengelernt haben und wovon hängen geblieben ist, dass es einer war, der „Spaniens Himmel“ gesungen hat, der in Spanien gekämpft hat und über den man sonst nicht viel mehr wusste. Der zum Klassiker erklärt wurde und damit tot war für uns zur Nutzung. (…) Aber um so mehr er sich für die Sache des Kommunismus und der Freiheit und Gerechtigkeit einsetzte, um so mehr stieß er an die Grenzen der Verwirklichung seiner Ideale. Das Land, für das sich eingesetzt hatte, brachte ihm erst mal ganz praktisch ein Auftrittsverbot, seine Lieder wurden im Rundfunk verboten. Und hier kommt ein Mann mehr und mehr in Konßikt mit sich selbst. Trägt er den Konßikt öffentlich aus, seine Kritikpunkte an dieser Partei, an dieser Art, einen Staat aufzubauen, oder behält er diese Schwierigkeiten für sich. Weil er Angst hatte, dass die Kräfte wieder an die Macht kommen, die er sein Leben lang bekämpft hatte. Und er zog es vor zu schweigen, hat sich auf die Produktion seines Liederzyklus konzentriert und uns damit etwas Gültiges erhalten, was bleiben wird. Ich denke schon, dass so ein Leben unheimlich spannend und für unser Jahrhundert exemplarisch ist.
Quelle: DDR-Rundfunksendung vom 22.01.1990

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